Patrick Rothfuss: „It’s a garden to enjoy!“

Patrick Rothfuss Amsterdam-0„Wenn es weniger Wörter hat als Shogun, können wir es drucken!“

Patrick Rothfuss zitiert seine Verlegerin Betsy Wollheim von DAW Books auf die Frage, wie lang denn nun Teil zwei seiner Königsmörder-Trilogie ist. James Clavells Roman hatte 1975 mit sagenhaften 430.000 Wörter auf rund 1.100 Taschenbuchseiten einen neuen Standard gesetzt. Aber soviel würde es bei ihm nicht werden, die letzte Version von „The Wise Man‘s Fear“ liegt bei 375.000 Wörtern, sagt er. Und weil der editorische Prozess noch nicht abgeschlossen ist, geht Pat davon aus, dass es eher weniger als mehr werden. Vom Endprodukt ist aber jetzt schon zu einhundert Prozent überzeugt.

Wir sitzen auf der Bank vor dem American Book Center in Amsterdam. Pat wird von Fans angesprochen, die ihn gleich lesen sehen und hören wollen. Auf die unvermeidliche Frage, wann das neue Buch denn nun erscheinen wird, antwortet er selbstbewusst: „Es erscheint, wenn es so gut ist, dass es euch umhaut.“

Was dann wohl Anfang des nächsten Jahres bedeutet, wenn man den Umfang des Manuskripts berücksichtigt. Nun, gut Ding hat lang‘ Weil.

Dass das Buch aber auch wesentlich länger sein könnte, daran besteht kein Zweifel. Pat beobachtet ständig seine Umgebung, achtet auf unscheinbare Kleinigkeiten und zieht daraus seine Anregung.

Eine Stunde zuvor, in einem ruhigen Seitenstraßen-Café. Er erzählt von einem einarmigen Bettler, den er am Rande einer Amsterdamer Gracht hat sitzen sehen, er fand ihn umgeben von einer Aura der Beschämtheit. Oder die Tauben, die am Spui turteln: Eine alltägliche Szene, doch Pat begeistert sich für den aufgeplusterten Täuberich, der gurrend hinter der entnervten Taube herstolziert, die doch eigentlich nur ein bisschen nach Krümeln picken will.

So wach wie sein Geist, so vital ist Pats Erzählweise. Mit lebendiger Mimik und lebhaft unterstreichenden Gesten sitzt er mir gegenüber und überführt seine besonderen Beobachtungen in eine allgemeine Arbeitseinstellung:

„Ich ziehe daraus meine Inspiration und Ideen. Als Schriftsteller brauche ich diese natürliche Neugier, gepaart mit einer ständigen Aufmerksamkeit für die Menschen und Dinge, die mich umgeben. Und weil der Umgang mit Wörtern etwas ist, worin ich gut bin, schreibe ich es eben auf. Und so eine neue Welt zu bauen, das ist wie ein schöner Garten, an dem man sich erfreut.“ Augenzwinkernd ergänzt er: „Ich glaube, dass ich ohne die Schreiberei wahnhaft wäre, mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung…“

Und in der Tat, all seine Beobachtungen brechen sich Bahn, wollen heraus. So redet Pat viel, ohne jedoch sein Gegenüber vollkommen sprachlos zu lassen. Mir gelingt die Frage nach der Detailselektion beim Weltenbau. Von endloser Recherche hält er nichts:

„Es gibt Schriftsteller, die verbringen ein halbes Jahr mit dem Sammeln von detaillierten Informationen über, sagen wir, Segelschiffstakelage. Und weil sie das dann auch in ihrem Buch verwenden wollen, ist das Ergebnis ein fünfzigseitiger Abschnitt, der beschreibt, wie Schiffe aufgetakelt werden.“

Solche ermüdenden Infodumps sind Pats Sache nicht. Sein Motto lautet: „Entwickle eine große Welt, aber zeige nur wenig von ihr.“

Es wird Zeit, aufzubrechen, bis zur Lesung sind es nur noch fünfzehn Minuten. Pat lässt fast seine Sonnenbrille auf der Fensterbank des Cafés liegen. Als wir draußen sind, blendet die Sonne ungewohnt hell nach dem Interview in den dunklen Räumen. Pat setzt seine blau reflektierende Sonnenbrille auf:

„Wenn ich sie trage, tue ich so, als wäre ich Neil Gaiman. Das ist cool.“

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